Holzwickede – Rathaus Holzwickede

24. Fortsetzung

10.08.2025

 

Botschafter Graf Friedrich - Werner von der Schulenburg (FWS) stand zwischen Berlin und seinem Tätigkeitsfeld in Moskau im Spannungsfeld zweier unterschiedlicher „Volksbeglückungsideologien“ und Hitler fürchtete das ebenfalls diktatorische mögliche bolschewistische  Alternativmodell  und überzog  Deutschland diesbezüglich mit ständiger antibolschewistischer Propaganda (s. unten Sonderstempel und Ausstellung Berlin und Braunau) und stand damit  im Einklang zu Alfred Rosenberg als ernannter „Chefideologe der NSDAP“ und dessen nicht steigerungsfähigem Antisemitismus, Chefredakteur des Völkischen Beobachters seit 1923, Leiter des Außenpolitischen Amtes seit 1933 und später „Ausbeuter des Ostens“ unter deutscher Besetzung.

 

War unter dem russischen Außenminister Litwinow  bis zum Jahr 1936 eine vorsichtige respektierte  Haltung auf dem Boden von Rapallo zu Deutschland erkennbar, so distanzierte sich Berlin selbst mit der Folge von Repressalien unter Stalin gegenüber  der deutschen Kirche  in Moskau, den  dt. Facharbeitern in der Industrie und u.a. den deutschen Siedlern an Wolga, Krim und in der Ukraine. Unberührt davon wurden die gegenseitigen Handelsbeziehungen aber eher ausgebaut im Interesse der wirtschaftlichen Stabilisierung  der jeweiligen diktatorischen Systeme. Die politische Gesamtlage in Europa  veränderte sich unter Hitlers aggressivem Verhalten in rascher Abfolge mit der Achse  Berlin-Rom, dem Münchner Abkommen und dem Einmarsch in die Slowakei. Stalin misstraute dadurch den untätigen Siegermächten des ersten Weltkrieges, trennte sich von Litwinow und stand  dennoch einer näheren aber nur wirtschaftlichen Annäherung  zu Berlin offen gegenüber. Der deutsche Außenminister Ribbentrop scheiterte in Warschau  mit  einer Lösung in der „Korridor- und Danzig-Problematik“ als Hinterlassenschaft des Versailler „Friedens“vertrages  und  auch Berlin änderte wohl  unter Vorbereitung zur Aggression gegen Polen  seine Haltung zu Russland  und suchte ein Vertragskonzept, um möglichen Interventionen vorzubeugen, zumal England und Frankreich  für Polen eine militärische Garantieerklärung gaben. 1939 war dann auch das Jahr mit dem neuen russischen Außenminister Molotow

 

Friedrich Werner Graf von der Schulenburg als deutscher Botschafter in Moskau  sondierte und fixierte in Gesprächen mit Molotow jeweils  in Abstimmung mit Berlin und Moskau die weitere nähere Zusammenarbeit. Hierzu ist bei Interesse die existierende historische Forschung zu dieser weltpolitisch komplexen Situation dringend empfehlenswert und kann hier nicht Gegenstand der näheren Betrachtung sein.
 

Am 23. August 1939 kam es dann durch Ribbentrop  in Moskau zur Unterschrift des Nichtangriffsvertrages  und Schulenburg ahnte, dass dies kein Friedensvertrag werden würde.

 

Im geheimen Zusatzprotokoll war die Aufteilung Polens zwischen Berlin und Moskau schon  geregelt, der deutsche Angriff auf Polen erfolgte bereits 8 Tage später am 1.September 1939 und 2 Tage danach war die Kriegserklärung Englands und Frankreich an Deutschland bereits eine folgenschwere  Tatsache. Der 2. Weltkrieg  mit ca. 50 Millionen Toten, 15 Millionen Vertriebenen und  Teilung Deutschlands und Verlust von Heimatgebieten nahm seinen weiteren tragischen Verlauf.


Ribbentropp unterzeichnet schon Ende September in Moskau einen Freundschaftspakt  und sowohl  Hitler und Stalin erreichten ihre anvisierten Ziele mit der Teilung Polens, Stalin erhält  zudem die baltischen Staaten. Ein Übergriff  Russlands auf Finnland misslang zwar militärisch, aber im Süden kam Stalin dem angestrebten Staatsziel in den Grenzen von 1914 wieder näher.


FWS machte als Botschafter in Moskau  nach der schnellen Niederlage Polens nun menschlich verachtenswerte Erfahrung im Umgang der Wehrmacht und spez. SS auf deutscher aber auch auf sowjetischer Seite durch rigorose Umsiedlungen (und später auf deutscher Seite Deportation ins KZ) mit der polnischen  und jüdischen Bevölkerung.  Seine stets reservierte Haltung zum NS – Regime beeinflusst zunehmend sein Denken in  Richtung Widerstand. Nach der problemlosen Besetzung von Dänemark und Norwegen und dem raschen Sieg  gegen Frankreich an der Westfront  erlitt Hitler in der „Luftschlacht um England“ seine erste Niederlage. Andererseits waren Reibungspunkte zwischen Berlin und Moskau durch die neuen  Grenzverhältnisse allerdings schon vorprogrammiert und vermutlich beginnen geheime deutsche Militärplanungen  auf Anweisung von Hitler gegen Russland schon ab 1940. Offiziell startet aber noch der Versuch einer Klärung der politischen Absichten auf beiden Seiten und  Außenminister Molotow reist dazu vom 12.bis 14. November 1940 nach Berlin (s. Foto-Ak)

 

Molotow forderte konkrete Stellungnahmen von Berlin, die aber durch Hitlers Ausweitung der deutschen Kriegsführung auf die Balkanhalbinsel ebenso erschwert waren, wie mit der Stationierung deutscher Truppenanteile in Finnland. Stalin war dadurch  ein gewonnener Zeitgewinn zur eigenen Aufrüstung  wichtig und ein kalkulierter möglicher deutscher Angriff  verzögert hin zu den „Wintermonaten wäre  ein wünschenswerter kostenloser Kriegspartner“. Nicht nur Regierungen und Geheimdienste spürten die angespannte Situation  der Kriegsgefahr, auch die Deutsche Botschaft Moskau mit Friedrich Werner Graf von der Schulenburg  ahnte  und befürchtete den  Kriegsfall. Botschaftsrat Hilger und  Botschafter v.d. Schulenburg  sahen das kommende Desaster  und verglichen die Situation mit dem desolaten Russlandfeldzug von Napoleon I. geschildert in den Memoarien von General von Caulaincourt und Herzog von Vicenza und damaligen französischem Botschafter  in  Petersburg in der Zeit nach dem Tilsiter Frieden und als Begleiter von Napoleon I. auf seinem  desaströsem  Feldzug  in Russland  

 

Friedrich Werner Graf von der Schulenburg  versuchte wohl letztmalig und persönlich in einer Audienz  am 28. April 1941  Hitler  von  einer Militäraktion gegen Russland abzuhalten und durch sachliche Informationen zu warnen und erkannte resignierend das vergebliche  Bemühen  gegen einen voreingenommenen und bornierten   Hitler.

Seit dem Jahr 1922 war FWS zum Legationsrat ernannt mit dem Recht direkt Minister oder Reichskanzler  zu konsultieren und dennoch hatte Hitler ihn nach seiner Ankunft  im April 1941 aus Moskau 14 Tage zur persönlichen Audienz warten  lassen!

Am 22. Juni 1941 erfolgte der militärische Überfall Deutschlands unter dem Namen Unternehmen Barbarossa  auf die Sowjetunion und sollte bis April 1945 unsägliches Leid  auf allen Seiten verursachen und apokalyptisch für  Hitlers  „Großdeutsches Reich“ enden.

 

Schulenburg hatte  sicherlich die höchst unangenehme nächtliche Aufgabe Molotow über den Beginn des Kriegsfalls zu unterrichten. Die Deutsche Botschaft Moskau wurde sofort geschlossen und  FWS verlässt mit 100 Mitarbeitern im Sonderzug Moskau. Der Weg führt FWS sicherlich wehmütig an Stätten seiner Dienstzeit vorbei mit Tiflis, dem Kaukasus und über Armenien in die Türkei und schließlich über Erzerum  nach Ankara.

Soweit ansatzweise die damals katastrophale gesamtpolitische Lage und zurück nach Holzwickede.

Fortsetzung folgt