Holzwickede – Rathaus Holzwickede

16. Fortsetzung

14.06.2025

 

Im Mai 1924 standen Neuwahlen für den Gemeinderat in Holzwickede an, der auf 18 Mitglieder aufgestockt war. Zumindest an dieser Stelle einmal die damalige Parteienstruktur  in Holzwickede in der Zeit der Weimarer Republik. Die Deutsche Volkspartei konnte 3 Vertreter, die Deutschnationale Volkspartei  2, das Zentrum 5, die Deutschen Demokraten 2 und die SPD 6 Vertreter in den Gemeinderat berufen, die NSDAP spielte noch keine lokale Rolle. Schon auf der ersten Sitzung im Mai 1924 kam es zu lautstarken Protesten der Zuhörer, ob des Gewerkschaftsantrages der Bergleute auf „Sonderzuteilungen von Speck“ und erst eine erneute Sitzung unter Amtmann Leonhard führte zur Beschwichtigung und zur Einführung des neuen Gemeinderates ohne meine Kenntnis zur  Klärung der Specksonderzuteilungen.

Das Jahr 1924 führt uns  aber noch einmal  kurz zurück mit Hinweis auf die Vorstellung  in der 7. Fortsetzung zum Rathaus Holzwickede.

Das  Denkmal zum Krieg 1865/66 und 1879/71 im Alten Dorf gegenüber der ehemaligen Südschule war im Jahr 1910 auf den zukünftigen neuen Marktplatz  vor dem Rathaus umgezogen. Für die Gefallenen  des 1. WK fand  dann am 15.6.1924 eine Ehrenveranstaltung statt mit Ergänzungstafeln zu den Gefallenen.  Der Bildhauer Boedecker aus Unna hat übrigens die Tafeln erstellt und der Krieger-, Reserve- und Landwehrverein  übernahm die ausführende Gestaltung. Der Verein war nach dem Krieg 1870/71 im Jahr 1873 in Holzwickede gegründet worden und hatte sein 40jähriges Vereinsjubiläum 1913 und zu dieser Feier war eine Fahne durch die Dortmunder Fahnenfabrik Gisbert Umbach entworfen und gefertigt worden. Die zugehörige Fotoansichtskarte  dokumentiert alte und neue Vereinsfahne  verbunden mit der Abbildung des Kriegerdenkmals bereits auf dem geplanten Rathausmarktplatz  und mit dem Konterfei von Kaiser Wilhelm II.

 

Links Denkmal 1870/71 noch im Alten Dorf und rechts umgesetzt zum Markt und auf der Kirchstraße (heute Goethestraße) ein Menschenzug aus dem Alten Dorf zur Feier am Denkmal. Das Denkmalpodest war mit 4 Fahnenstangen in den Ecken dekoriert worden.

Da war dann  später rückwirkend zum 1. Weltkrieg  das Ehrenkreuz für Witwen  im Namen des Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler sicherlich auch kein Trost. Siehe auch dazu den Menüpunkt Holzwickede – Zeche spez. 7. Fortsetzung.

 

Die folgende Fotoansichtskarte datiert aus dem Jahr 1925 und  belegt damit eine 100jährige Historie mit dem Rathaus Holzwickede.

Der Denkmalplatz ist eingezäunt, die Fahnenmasten von der Feier aus dem Jahr 1924 entfernt.

Die Kartenkennzeichnung  signiert  Am Rathaus

 

in ähnlicher Perspektive eine Ansicht 3 Jahre später 1928 und signiert mit

Amtshaus und Kriegerdenkmal

 

Dieses Kriegerdenkmal war häufig Kulisse und findet sich speziell mit „wehrhaften“ Gegebenheiten wie Kriegervereinen, Musterungssoldaten, Hitler Jugend, nach dem 2. Weltkrieg mit Totengedenkfeiern usw. vergesellschaftet. Dazu werden an  späterer Stelle   Beispiele vorgestellt.

Am 2. April 1926  etabliert sich der Wochenmarkt vor dem Rathaus und in diesem Jahr  wurde auch übrigens eine geregelte Müllabfuhr eingeführt.

Im Jahr 1926 wurde dann auch im Gemeinderat  das Thema Ratskellergastronomie erneut aktuell und wurde zum  öffentlichen Gemeindethema und der evangelische Pfarrer Walther Sattler schreibt in seinem Buch aus dem Jahr 1931

Aus der Geschichte  und Vorgeschichte der Evangelischen Kirchengemeinde Holzwickede

in einem Auszug  über den Jahresbericht  des Presbyteriums - erstellt durch Kirchmeister W. Dißmann  -  und die vergeblichen Interventionsversuche zur Einrichtung des Ratskellers  und ich hoffe auf  eine lesbare Originaltextseite:

 

Sattler ist betrübt, dass trotz der aktuellen Arbeitslosigkeit und steigenden Trunksucht ob der desolaten Lebensumstände, der  Gemeinderat mit dem Beschluss vom 24.2.1927  die Genehmigung zur Einrichtung der Ratskellerwirtschaft erteilt hat mit der Bewilligung  von 7.750 Mark zur Ausstattung der Räume.

Erster Pächter im Ratskeller wurde Wilhelm Frölke im Jahr 1927. Er startete wohl recht zuversichtlich und warb  durch den Photographen  Hagenbruch aus Holwickede  gleich mit einer Fotoansichtskarte für seine recht ansehnlichen Räumlichkeiten und erreichbar mit dem Telefonanschluss über das Amt Wickede-Asseln  unter der Nummer  171 –  dort saß das Fräulein vom Amt zur persönlichen Vermittlung  und dies sicherlich für die heutige Smartphone – Generation völlig unverständlich.

 

Überschuldung  beendete  sein Ratskeller - Debüt  allerdings recht frühzeitig und auch sein Nachfolger Fiebig konnte nicht Fuß fassen  innerhalb der  weiteren vorhandenen Gastronomieszene von Holzwickede und gab Ende des Jahres 1928  ebenfalls auf.

Das nun nachfolgende Pächterpaar Karl und Alma Engler agierte durchaus erfolgreich seit dem Jahr 1929, scheiterte aber wohl im Jahr 1937  an den eingetretenen und veränderten Gegebenheiten  unter den  Nationalsozialisten (dazu später mehr).

Eine kleine  überlieferte Anekdote: Zwischen Rathaus und dem Metzgerhaus Urpialek gab es später eine hochgewachsene Dornenhecke, die dem nächtlichen Rathauszecher vor dem Heimweg gelegentlich als Toilette diente und  nicht standsicher ihre Spuren hinterließ. Das Motto war – die Hecke muss reduziert werden. Mit Urpialek wurde beim Dämmerschoppen gewettet, dass die Hecke am nächsten Tag fast bodentief  in Augenschein zu nehmen wäre und  während der ungläubige Metzgermeister alkoholisch abgefüllt wurde, konnte mit der Säge die Hecke tatsächlich nächtlich gekürzt werden.  Urpialek  zahlte den Wetteinsatz mit 20Pfund Mett, die in der Rathausküche verarbeitet wurden.

Aber zum  Jahr  1929 gilt es in mehrfacher Hinsicht  einige Anmerkungen  zu machen.  Am 1.8.1929 wird der Kreis Hörde aufgelöst im Rahmen der Eingemeindung zu Dortmund und die Landgemeinde Holzwickede wurde mit größeren Gebietsanteilen von Sölde aus dem Amtsbereich Aplerbeck, der zu Dortmund kam, dem Amt Unna-Kamen im Landkreis Hamm zugeordnet, aus dem im Jahr 1930 der Kreis Unna  wurde. Sicherlich  rückblickend für Holzwickede eine wichtige und gelungene Entscheidung für die weitere  und anhaltende  Entwicklung der Gemeinde in eigener Handlungskompetenz. Übrigens im Jahr 1929 Anschluss der Haushalte an die Gasversorgung in Holzwickede.

Holzwickede wird selbständige Gemeinde im Kreis Unna und dazu kurz die „Gewinnsituation“ für Holzwickede und  die Größenverhältnisse in modernen Hektar

            Holzwickede  742ha              Hengsen 798ha                      Opherdicke  462ha

            Jahr 1929        231ha  plus (2,3km2 und ca .600 Einwohner aus Sölde dazu)

Vorausgegangen war seit dem Jahr 1927/28  eine  große  Umgemeindungsaktion im Ruhrgebiet, die nun auch Holzwickede betroffen hatte  und  zu lebhafter Auseinandersetzung verschiedener Interessenlager führte.

Am  27.5.1927 tritt Karl Luicke von seinem Amt als Gemeindevorsitzender zurück und  der Kaufmann Theodor Rieke wird Nachfolger. In dieser Zeit standen schwerwiegende Entscheidungen  zur politischen Zugehörigkeit der Gemeinde an. Der Landkreis Hörde fand durch die Eingemeindung nach Dortmund seine Auflösung und in langwierigen, teils heftigen Diskussionen hatte die Gemeinde Holzwickede die alternative verwaltungsmäßige Zugehörigkeit zu Dortmund oder nach Hamm zu entscheiden. Für die vielen Bahnbeamten in Holzwickede war die bessere Besoldung  im Bezirk Dortmund interessant und auch Teile des Handels waren nicht abgeneigt der nahen Großstadt ihr Votum zu geben. Parteien, Handel und Gewerbe brachten sogar in öffentlicher Versammlung im Frühjahr 1929 im Saal Herkelmann (heute Gaststätte „Bambusgarten“) mit einer Resolution  den bevorzugten Anschluss nach Dortmund zum Ausdruck.  Der Gemeinderat tagte ab dem  Jahr 1928 häufig heftig debattierend in dieser Frage und traf dann endgültig in der Ratssitzung am 14.2.1929  den Beschluss zum Landkreis Hamm zu gehen und damit eine vermutlich größere Eigenständigkeit zu erhalten. Dies wurde in einer erneuten  Ratssitzung vom 21.6.1929 dann bestätigt und per 1.9.1929 trat die gesetzesmäßige Entscheidung für die Umgemeindung in den Landkreis Hamm in Kraft. Allein  2x suchte der Gemeindevorsteher Rieke diesbezüglich  zuvor die „hohe Politik in Berlin“ auf, um auch bei der möglichen Zugehörigkeit zu Hamm direkt angrenzende Gemeindeanteile – zugehörig zu Sölde - für Holzwickede zu erhalten. Unter den zuständigen Abgeordneten im Landtag Berlin  war auch der ehemalige Landrat Hansmann aus dem Kreis Hörde  involviert (war dort im Eingemeindeausschuß)  und unterstützte das Holzwickeder Bestreben. Rieke erhielt  die hilfreiche Zustimmung und so blieb die Region Rausingen westlich des Hofes Middelschulte  mit den Industriestandorten der Firmen Wiederholt, Künstler und Schmidt glücklicherweise mit einem Geländegewinn von 953 Morgen im neuen Gemeindegebiet von Holzwickede. Die Gemeindegrenze zu Sölde und damit Dortmund hätte die  Rausingerstraße sonst in Höhe der Hausnummer 84 (altes Haus Jaques) geteilt und auch die damalige Bäckerei Polle in der Sölderstraße wäre Gemeindegrenze zu Dortmund geworden. Ähnlich der Situation für Dortmund im Jahr 1887 wurde aber Hamm als Sitz eines Landkreises im Jahr 1901 kreisfreie Stadt (bis 1930 blieb aber das Landratsamt in Hamm). Am 2.11.1927 beschloss der Kreistag in Hamm mit 19 zu 10 Stimmen der Verlegung des Landratsamtes von Hamm nach Unna. Die Städte Hamm und Kamen waren zwar ob dieser ungewünschten Verlegung teils polemisch öffentlich agierend, aber in Berlin wurde am 30.4.1929 im preußischem Innenministerium  der Verlegung des Landkreisverwaltung von Hamm nach Unna zugestimmt und am 17.10.1930 kam aus Berlin auch die offizielle Ernennung zum  KREIS UNNA mit der Kreisstadt Unna.

Erwähnenswert sind kurz die Gemeindewahlen  November 1929. Karl Luicke wird erneut zum Gemeindevorsteher gewählt, verstirbt aber Anfang Mai 1931 und der Kaufmann Theodor Rieke übernimmt wieder erneut das Amt in zunehmend schwieriger  wirtschaftlicher Zeit.

An dieser Stelle auch wieder einmal ein Blick auf den Marktplatz vor dem Rathaus

und erwähnt worden war  bereits das Kriegerdenkmal  als beliebte Fotokulisse    

 

der Adler an der Denkmalspitze ausgerichtet nach Südwesten

Im Jahr 1930  posierte  der Krieger-, Reserve- und Landwehrverein  Holzwickede mit einer

Ehrenwache vor dem Denkmal.

 

Aus heutiger Sicht wirkt die obige  Aufstellung des ortsansässigen Kriegervereins vor dem Denkmal wie ein Panoptikum, war aber im damaligen Zeitgeist eine durchaus  ernsthafte Angelegenheit. Auf der abgebildeten  Gewehrgruppe vor 100 Jahren  finden sich Gemeindemitglieder, die auch  heute noch teils namensmäßig bekannt und in der Erinnerung durchaus gängig sind u. a. von links nach rechts Ernst Rissiek sen. (Hauptmann) // Fausten (Obergärtner bei Spring) // Knoke // ? // Hakenesch // ? // Ernst Höing sen. // Schwier  // Gravert (Wirt). Vielleicht finden sich noch die 2 Namen für die gesetzten Fragezeichen.

Die  lokalen zahlreichen  Kriegervereine des 19. Jahrhunderts hatten sich übrigens im Jahr 1900 im Kyffhäuserbund  als Dachverband zusammen gefunden und Hitler unterstellte diesen Verband zügig  im Jahr 1933 der SA und damit in die Kontrolle der NS – Ideologie.

Wir nähern uns schicksalhaft dem Ende der 1920er Jahre  und dem Jahrzehnt der angeblichen „goldenen zwanziger Jahre“. Die Weimarer Republik glich dem Tanz auf dem Vulkan: Inflationsfolgen, politische Unruhen mit Straßenkämpfen von „rechts bis links“, Kriegsinvaliden, Arbeitslose, 20.000 Selbstmorde im Jahr 1932, Prostitution der Kriegerwitwen, um ihre Kinder zu ernähren. Berthold Brecht : Erst kommt das Fressen dann die Moral. Siehe auch 10. und 11. Fortsetzung im Menüpunkt Holzwickede und Zeche Caroline.

 

In Holzwickede droht im Jahr 1932 die Zechenschließung. Gemeindevorsteher Theodor Rieke kann in der Begleitung einer Zechendelegation in Berlin  das Ende der Zeche – Caroline abwenden, aber etliche Bergarbeiter wurden dennoch arbeitslos und auch unbezahlte Feierschichten  waren zu verkraften.

Die verheerende Weltwirtschaftskrise nahm ihren Verlauf. Deutschland wird praktisch mit  Notverordnungen  regiert und Wahlen präsentieren zunehmend  auch in Holzwickede  den politischen Rechtsruck.

Folgen der Weltwirtschaftskrise waren steigende deutsche Arbeitslosenzahlen bis 6 Millionen und die NSDAP hatte den Tonfall in dieser Situation für die Bevölkerung richtig eingeschätzt, der Weg zur Machtübergabe trat in die Endphase ein.

Adolf Hitler auf dem Weg zum Reichsparteitag 1929 Nürnberg

sichtbar unter dem Jubel von Kindern und Männern

 

30. Januar 1933 Machtübergabe und Hitler wird Reichskanzler

 

Mit der Machtübergabe an Adolf Hitler und die NSDAP im Januar 1933 sahen NS – Anhänger die “Stunde  der versprochenen Realisierung ihres Wahlprogramms aus dem Jahr 1920“ gekommen und auch Gauleiter agierten selbstherrlich  vor Ort. Um das drohende Chaos  zumindest in ihrem Sinne zu kanalisieren, erklärte H. Göring 50.000 SA – Leute zu Hilfspolizisten mit  Armbinde und Pistole ! Hetzkampagnen und erster Terror speziell gegen unliebsame Einzelpersonen, jüdische Einrichtungen und Warenhäuser waren ab Februar 1933 keine Einzelfälle mehr und ohne rechtlich zu erwartenden Schutz. Dazu Absenderfreistempel des obersten SA – Führers

 

und die SA Zeitung  SA-Mann  - Dein Kamerad im Kleinkrieg des Alltags

(retrospektiv  fast  eine Satire)

 

Siehe auch https://www.postautomation.de/freimachung-mit-freistempel/tietz-warenhaus-einleitung/arisierung-eindeutschung/?no_cache=1&sword_list%5B%5D=Polizei

 

Umgehend   sah die NSDAP  auch in Holzwickede die  Gelegenheit gekommen, die  Personen, die öffentlich distanziert zur nationalsozialistischen Bewegung  standen und aufgetreten waren, zu inhaftierten  und im KZ Bergkamen zu internieren „im Interesse und Sicherung des örtlichen Friedens“. Beispielhaft Josef Kiel von der Sozialdemokratischen Partei, Hannes Buß Mitglied der Kommunistischen Partei und Dr. Hurlbrink als Landesleiter  des Tannenbergbundes.

Es folgte eine zwanghafte Indoktrinierung Deutschlands unter das NS – Regime mit Gleichschaltung der Presse, Verfolgung  der Regimegegner  mit brutalster  Konsequenz – bis 1945 wurden in  Deutschland per indoktrinierter NS-Justiz 14.000 Todesurteile (!) vollstreckt - zusätzlich zu den 6 Millionen Toten im Holocaust  und Internierten  in den Konzentrationslagern und ca. 50 Millionen Kriegstoten auf allen Seiten der beteiligten Kriegsstaaten.

Bei näherem Interesse zur NS – Gewaltsituation  in Holzwickede sind die Schriften von Ulrich Reitinger zu empfehlen und unersetzlich und ferner hier auch der Hinweis auf die VHS Spurensuchgruppe „NS – Opfer – Holzwickede“.

 

Auch in Holzwickede  hatte politisch der Umschwung nach rechts zur NSDAP stattgefunden.

Fortsetzung folgt.