Holzwickede – Post 17. Fortsetzung
03.04.2024
Nach einer mündlichen Überlieferung war zum Anfang der 1940er Jahre „Klärchen Höing“ Briefträgerin im Norden von Holzwickede und es gelang ihr wohl aus den verkohlten Trümmern der zerstörten Post in der Königstraße (heute Stehfenstraße) nach dem alliierten Luftangriff März 1945 noch Briefpost teils zu retten und tatsächlich zuzustellen.
Dazu oben ein Brief des Soldaten Herbert Wilhelmy an seine Eltern in Holzwickede, Gneisenau-Str. 39 (heute Sachsenstraße) gesichert aus dem zerstörten Postgebäude und noch ordnungsgemäß zugestellt. Persönliche Information und Bild von Herbert Wilhelmy, der selbst später in der Lessingstraße wohnhaft und Ortshistoriker mit etlichen hervorragenden Ausarbeitungen zu seinem Heimatort Holzwickede war.
Die Poststelle siedelte notfallmäßig in das katholische Jugendheim
Das obige Ensemble umfasst ca. 120 Jahre Ortsgeschichte Holzwickede. Die linke obere Ansicht dokumentiert die katholische Schule noch mit Glockenreiter und damit somit vor 1905 und belegt den nach Norden angebauten Chorraum und nach Auszug des Andachtsraumes als Lehrmittel- und Konferenzzimmer genutzt. Rechts davon das Haus Heinrich Albert, Lokomotivführer. Die katholische Gemeinde erwarb das Haus (evtl. im Jahr 1919) und richtete hier ein Schwesternhaus und Altenheim ein. Die Ordensschwestern kamen aus dem Mutterhaus St. Marien in Hiltrup. Ca. im Jahr 1923 erfolgte dann der südliche Anbau mit Kindergarten und Jugendheim.
Das kleine Haus nördlich Haus Albert und späterem Schwesternhaus zeigt in der Abbildung oben links das alte Haus Freise. Die dazwischen liegende Josefstraße ist durch die Bäume nicht erkennbar, evtl. aber auch noch nicht eingerichtet, denn die Bebauung mit den doch recht großen Häusern Kranefeld – Berken ist nicht erkennbar. Das dann nördlich anschließende recht ansehnliche Haus an der Hauptstraße hat eine recht wechselhafte Belegung: Finkmann mit Zigarren und Schreibwaren, ein „Tante Emma – Laden“ Hakenesch, heute Rechtsanwaltkanzlei Claussen & Kollegen. Noch ein aktueller Eindruck auf das Ensemble mit der Seniorenresidenz Mohring nach Abriss des Altenheimes mit Kindergarten und Übernahme durch den Pflegekonzern ALLOHEIM und in diesem Fall gegenüber nun die Konditorei und Bäckerei im Neubau Haus Freise (Hinweis: seit etlichen Jahren geschlossen).
Nicht zu verwechseln mit dem alten Jugendheim der katholischen Kirche ist die neue Unterkunft im Anbau des im Jahr 1958 neu errichteten Kolpinghauses mit Gastwirtschaft Zur Glocke Ecke Kirchstraße und Hauptstraße. Dazu im Ensemble die zugehörige Fotoansicht. Oben rechts das „katholische Viertel“ mit der Straßenkreuzung Haupt-, Kirch- und Josefstraße. Noch Altbau Freise und gegenüber „auf der Wiese“ entstand die verdichtende Bebauung der Hauptstraße mit Kolpinghaus und Anbau neues Jugendzentrum und weiter nach Norden u.a. das Haus Schreinerei Gössmann, Futtermittel Cramer und dann alte Häuser Schäfer.
Die Post zog also in das alte Jugendheim von März bis November 1945 behelfsmäßig ein.
Aus diesem Zeitabschnitt der Poststelle ist ein Steuerbescheid des Finanzamtes Dortmund – Hörde nach Holzwickede mit Datum vom 12.7.1945 interessant. Drei Monate nach Kapitulation war die Steuerbehörde schon wieder pflichtbewußt aktiv, hat aber im Amtssiegel entgegen den Bestimmungen das Hakenkreuz noch nicht entfernt !
Aber nicht nur die Poststelle musste der Not gehorchen und in ein Provisorium umziehen, auch das Postmaterial war betroffen und Briefmarken durchaus anfangs Mangelware.
Postkartenvordrucke wurden mit 6Rpf.(Reichspfennige) als Briefmarkenersatz bedruckt, der Postamtsstempel links abgeschlagen und konnten so freigemacht mit Posttagesstempel Holzwickede nach Barzahlung auf den Transport gehen und in diesem Fall nach Hannover – Linden. Hier nun die Postleitzahl 20 für Hannover und 21 für Westfalen und der notwendige Zudruck German in der britischen Zone. Es handelte sich um eine friedvolle Bestellung von Tischtennisbällen.
Bereits nach einem knappen halben Jahr stand ein erneuter Umzug der Poststelle an und auch dies war in jeder Hinsicht ein weiteres Provisorium mit und in der Hans-Schemm-Schule. Die katholische Südschule wurde im Jahr 1936 zur Hans-Schemm-Schule. Schemm war im Jahr 1935 durch einen Flugzeugabsturz in einer NS-Gau-Maschine auf dem Flugplatz Bayreuth ums Leben gekommen. Die Vita von Hans Schemm ist gekennzeichnet durch vielfältige und leitende Tätigkeiten beginnend schon früh ab dem Jahr 1923 in NS- Organisationen aber auch im schulischen Kulturbereich und mit einem bestürzenden Antisemitismus. Im Jahr 1938 wurde die Hans-Schemm-Schule Gemeinschaftsschule im NS-System d.h. Dudenroth und Aloysiusschule waren pro forma aufgelöst worden. Im Jahr 1943 wurde die Hans Schemm-Schule von den Vereinigten Stahlwerken Dortmund mit der Abteilung Rohstoffhandel der Dortmunder Union belegt. Die Schüler wurden auf die Dudenroth Schule und die Hermann Göring-Schule an der Nordstraße (umbenannte Nordschule zu NS – Zeiten) verteilt und ferner noch im kath. Jugendheim nebenan einquartiert.
Mit dem Ende des 2. Weltkrieges ruhte zunächst der Schulbetrieb und im September 1945 erfolgte nun wieder in der Aloysius-Schule der begrenzte Unterricht, da weiterhin noch der Rohstoffhandel im Gebäude zunächst verblieb und nun die Poststelle Holzwickede ebenfalls einen halben Klassenraum als Notquartier erhielt (quasi ein Umzug aus dem Jugendheim 70m „um die Ecke“).
Aloysius Schule ca. im Jahr 1950
Aus dieser Zeit ist nun als erstes ein interessanter Briefbeleg des mehrfach angeführten ROHSTOFFHANDELS vorzustellen.
Der Briefumschlag nutzt zwar die Dortmunder Adresse im Vordruck, aber der im Kontrast verstärkte und leider farblich schwache Absendergummistempel belegt aber eindeutig den Rohstoffhandel der vereinigten Stahlwerke (21) Holzwickede Kreis Unna German – geschäftlich in der katholischen Schule. Ferner Poststempel Holzwickede und hier nun die 12 Pfennigmarke der ersten und raschen Briefmarkenausgabe im Jahr 1945 (Freimarke “M“) gemeinschaftlich für die britische und amerikanische Zone.
Seit Oktober 1945 wurde die Poststelle Holzwickede dem Postamt Unna unterstellt.
Aber nicht nur Briefmarken waren anfangs Mangelware auch gedruckte Einschreibzettel mit Hinweis Holzwickede im Kreis Unna fehlten und wurden durch Anwendung von Gumminebenstempeln entsprechend „aufgewertet“. Mit frühem Datum vom 9.2.1946 beispielhaft ein Einschreibbrief mit Not-R-Zettel (Detail im Kontrast und Größe verstärkt) aus der Poststelle Aloysiusschule.
Der Brief kam aus Lübeck ohne weitere Bemühungen zurück und auch die Anschrift lässt leider eine Notsituation erkennen:
An die Auskunft-Entlassungsstelle
für Kriegsgefangene in Rußland
zu Händen des Herrn Dr. Lear Korli
Bevollmächtigter des Roten Kreuzes in Riga
und des königlich-dänischen
Generalkonsulat
Lübeck
Fortsetzung folgt