Holzwickede Gewerbe

Fa. Wiederholt 15. Fortsetzung 

01.11.2024

 

An dieser Stelle  ist ein Rückgriff auf Bismarck erlaubt  mit der berühmten Karikatur

der Lotse geht von Bord

 

und auch mit dem Abgang von Vincenz Wiederholt wurde das weitere Firmenschicksal zunächst noch von der Fortsetzung des Wirtschaftswunders in der Bundesrepublik getragen, aber es sollte dann für die Firmenleitung nicht leicht und unbeschwert sein und bleiben.

Erben des  75% Firmenanteils  von  Vincenz Wiederholt werden zu gleichen Teilen mit 37,5%  seine Enkel Ernst-Albrecht (zu dem Zeitpunkt 21 Jahre alt) und Reinhard (13Jahre).  Durch ein Gesellschaftskonstrukt besitzt aber die Tochter von Vincenz Wiederholt  Helga und Mutter der  genannten Söhne 62,5% Stimmrechtsanteil  und wird somit in der Geschäftsführung leitend.

Ihr Ehemann Dr. Ing. Walter Becker war zunächst nur im Eisenwerk Caroline  beteiligt. Vincenz Wiederholt kam absolut nicht gut mit seinem Schwiegersohn aus. Hier prallten unterschiedliche Charaktere aufeinander. Wiederholt war für alle Mitarbeiter ein zugänglicher Firmenpatriarch und in  seinen letzten 19 Jahre auf dem Werksgelände  wohnend  auch für jedermann persönlich  ansprechbar und  es bestand ein absoluter Kontrast zum Schwiegersohn und Fabrikanten  Dr. Ing. Walter Becker mit Handschuh und Bowler und verschlossener Miene und auf dem Werksgelände  im  reglementierenden  teils abfälligem Tonfall unterwegs.

Aus dem Jahr 1963 ist noch ein Verkauf von „Dreck“ erwähnenswert. Auf dem erworbenen Übertagegelände der Zeche Caroline war ebenfalls wie im Fall der Zeche Freiberg  natürlich die Bergehalde inbegriffen. Wurde damals die Bergehalde der Zeche Freiberg  als Bergeversatz an die Zeche Bönen oder Königsborn verkauft, so kam diesmal  der Straßenbau A40 mit Übergang zur A44 zum richtigen Zeitpunkt.

 

Übertagegelände der Zeche Caroline. Die Fördertürme sind abgebaut, die blaue Halle noch nicht errichtet  und die Bergehalde belegt schon erste „Knabberspuren“. Die A40 wurde unterhalb der Chaussee als Weiterführung der B1 quer durch die Felder konzipiert und ging mit dem Bau der Brücke über die Nordstraße als A44 weiter und der Bau war dem J. Kropohl-Verlag eine Fotoansichtskarte wert: Holzwickede i.W. „mit neuer Bundesstraße“.

 

Blick von der Chaussee nach Süden. Vor 60 Jahren natürlich  ohne Lärmschutzwände und vielleicht können sich Homepagebesucher  links an den Schrottplatz Mairitsch  erinnern und später rechts an den  Smart-Turm von Mercedes. Beides schon Vergangenheit und selbst die Tage der Brücke sind im Rahmen des 6spurigen Ausbaus  aktuell gezählt. Der jahrelange Ausbau und die teure Investition Richtung Dortmund  ist sicherlich gerechtfertigt, da nun der Stau des Durchgangsverkehrs vor Dortmund verursacht durch weiterhin bestehende  3 Ampelanlagen „viel schneller erreicht wird“. Für mich eigentlich ein Paradebeispiel für einen unbegreiflichen zudem teuren Planungsvorgang und dazu im üblichen Schneckentempo der Realisierung. Zwischen Gambacher- und  Westhofener- Kreuz auf der A45 ca. 170km habe ich neulich 19 teils kilometerlange  Baustellen gezählt vielfach ohne Arbeitseinsatz. Wenn zahlreiche Brückenbauwerke auf dieser Strecke mehr oder weniger gleichzeitig sanierungsbedürftig werden, wird man doch nachdenklich. Fehlerhafte Bauausschreibung, billiger Stahl, schlechter Zement ? Vollsperrung Lüdenscheid und Brückenneubau trotz angeblicher Priorität  vermutlich  7  Jahre nach Sperrung. Nach dem Motto: Erst kommen die Hütchen, dann die Dixi-Häuschen und dann Stillstand.                                 

Dazu einmal meine Vorstellung der damals größten Autobahnbrücke der Welt mit Baubeginn Ende 1935 (s. https://www.postautomation.de/volkswagen-ein-deutscher-mythos/idee-des-volkswagens). Die Pfeiler wurden  bis zu 27mtr. tief gegründet, um Erzbergbau-Hinterlassenschaften  keine Chance zu bieten  und  die Zahl der Ansichtskarten dazu ist erheblich. Die nachfolgend links oben abgebildete Karte belegt die Bauphase im sog. „Freivorbau“ und  der Schreiber ist  begeistert  vom entstehenden Brückenbauwerk, das teils in drei Tagesschichten realisiert wurde! Die Ansichtskarte ging übrigens an den Reichsbahnbaumeister PETZOLD in Chemnitz  und der Gasthof im Hintergrund zwischen den Pfeilern war vielleicht das Huthaus, dessen Besitzer R. EHRLICH in den letzten Kriegstagen durch  mutiges Vorgehen, die Sprengung der Brücke verhinderte.                    

 

14 Monate nach Baubeginn konnte Richtfest gefeiert werden ohne die heutige Computertechnik und  modernste Straßenbautechnik mit entsprechendem  Maschinenpark und die Pfeiler wurden dabei noch mit 13000 Quadratmeter Granitstein verblendet.  Die Erweiterung  auf 6 Spuren ab 1994 konnte immerhin in 3 Jahren  erledigt werden.

 

Februar 2024 auf einer Japanreise 2100km Autobahn wirklich nur 1 kurze Baustelle bei ca. 600km hoch geständerten  Brückenfahrbahnen.

Nach dem zwecklosen Jammern zurück zum Werk in Rausingen.

Meines Wissens nach wurde im Jahr 1964 die OHG VW-Werke Vincenz Wiederholt in eine GmbH & Co.KG umgewandelt und der Ehemann von Helga Becker  wurde als Gesellschafter der VW – Werk Eisenwerk  Caroline GmbH Mitgesellschafter und Geschäftsführer  im VW – Werk Vincenz Wiederholt ohne Stimmrechtsanteil bis zur Pensionierung im Jahr 1971.

Aus dem Jahr 1965 ist noch erwähnenswert, dass der Gartenmöbelbetrieb NISTA in Steinhude verkauft wurde. Zur Entscheidungssachlage kann ich keine Anmerkung treffen. Aber dazu noch einmal ein schönes  Bild mit  einer Ausstattung einer weiteren Autobahnraststätte z.B. Jahr 1957

 

Autobahn – Raststätte „Blauer See“ zwischen Hannover und Wunstorf

Im Jahr 1965  trennten  sich also die VW – Werke von ihrem  Steinhuder Betrieb  Nista  und verkauften  das Werk an die Kettler-Gruppe mit Sitz in Ense  Kreis Soest, die selbst mit etlichen Fabriken an verschiedensten Standorten später in wirtschaftlich schwierigste Phasen geriet bis zum Insolvenzverfahren 2015/18.

In dieser Phase des Umbruchs nach  dem Tod von Vincenz Wiederholt kommt  Dr. Walter Eberhard Becker  jun. aus der ersten Ehe seines Vaters zu den VW – Werken im Jahr 1965.

Geboren  im Jahr 1936 starb seine Mutter im Zusammenhang mit der Geburt  (Embolie) und er wuchs bei den Großeltern  Bevers mütterlicherseits  in  Hohenlimburg  auf. Der  Kontakt zur Stiefmutter Helga und seinen Halbbrüdern Ernst-Albrecht und Reinhard  beschränkte sich bis dahin  auf  Wochenenden und  Familienfeiern.  Im Jahr 1955 als Oberprimaner erkrankt Walter Becker  und ein Großteil  seiner Klassenmitschüler an Tuberkulose und  er  studiert  wohl deshalb auch aus Klimagründen in der Schweiz Volks- und Betriebswirtschaft. 1965 übernimmt er das  Rechnungs- und Finanzwesen  bei den VW – Werken  und erhält im  Jahr 1968 Gesamtprokura. Dabei traten wohl Spannungen in der Geschäftsführung mit Helga Becker  auf und Walter Becker scheidet im Jahr 1969  aus und geht zur Leichtmetall GmbH in Essen.

An dieser Stelle kurz ein Hinweis zur Tuberkulose – Erkrankung, die in den bisherigen Abhandlungen der Homepage bereits öfters erwähnt wurde und zu der die jüngere Generation keine Vorstellung mehr hat. Trotz jährlich 4500 Neuerkrankungen in der Bundesrepublik ist die Erkrankung auch in der Tagespresse  kein Thema. Bis dato erwähnt: Schwägerin und Bruder von Friedrich Stehfen starben früh an Tuberkulose, Vincenz Wiederholt und Walter Becker  überlebten mit eigener Kraft. Gerade im Ruhrgebiet war es ausgehend im Zeitalter der Industrialisierung eine Geisel und im Bergbau  gab es neben der Silikose auch die anerkannte erschwerte Berufskrankheit der Siliko-Tuberkulose mit frühzeitiger Invalidität und häufig vorzeitigem jammervollen Tod. Auch wenn es mittlerweile Medikamente gibt, existieren erschwerend multiresistente Erreger  unter  den jährlich 10 Millionen Neuerkrankungen weltweit, die auch in  der Migration für Deutschland von Bedeutung sind.

Zurück zu den  Wiederholt Werken.

Erwähnenswert aus dem  Jahr 1969 ist der Tod von Erna Wiederholt geb. Möller. Nach  der Ausbombung 1944  am Westfalendamm  in Dortmund  wohnten Erna und Vincenz Wiederholt  im Haus auf dem Werksgelände Rausingen  und beide bis zu ihrem Versterben. Sie richteten das Haus im Laufe der Zeit recht luxuriös aus, hielten hier Familien- und Geschäftstreffen  ab und es wurde als Gästehaus in diesem Zustand erhalten. Aus den Bildern im Buch  100 Jahre Wiederholt von Dr. Peter  Kracht zumindest ein kleiner Eindruck

 

Auch der Tod von Dr. Walter Becker sen. ist anzufügen. Der Ehemann von Helga Becker  verstarb im Jahr 1976 nachdem er sich 1971 aus den  Geschäftsführungen  zurückgezogen  hatte.

Anfang der 1970er Jahre kommt  auch der Enkel von Vincenz Wiederholt mit Ernst-Albert  in die Geschäftsführung als Mitbesitzer. War die wirtschaftliche Lage bis Ende der 1960er Jahre ein „stabiler und durchaus auch zunächst noch ein zunehmender Selbstläufer“, änderte  sich die Gesamtlage  in den nächsten 2 Jahrzehnten  zur langsam stetig anwachsenden Problemphase der Wiederholt – Werke.

Die Ausrichtung auf eine rationale  Kernproduktion der mittlerweile gut etablierten kaltgezogenen Rohrproduktion  findet nicht statt, es wird an  Rohrausführungen eine  riesige Vielfalt  trotz  unterschiedlicher  Mengenerfordernis wohl ohne Rentabilitätskalkulation  weiterhin angeboten, die Rohstahlpreise zogen zudem an  und  die Anwerbung von Gastarbeitern (spez. Marokko) zur  Gewinnmaximierung  waren im Ergebnis trügerisch.

Meinungsverschiedenheit  in  der  Geschäftsführung wohl auch mit seiner  Mutter  führten  zum Ausstieg von  Ernst-Albert im Jahr 1984,  der sich in die Schweiz zurückzog und dort  unerwartet bereits mit 42 Jahren verstirbt im Jahr 1985.

 

Fortsetzung folgt.