Holzwickede Gewerbe
Fa. Wiederholt 9. Fortsetzung
04.09.2024
Im Kriegsjahr 1941 fand die Hochzeit der Tochter Helga von Erna und Vincenz Wiederholt mit Dr. Ing. Walter Becker statt und im Jahr 1942 Geburt von Ernst-Albrecht Becker und die Eltern Becker wohnten in Menden im Sauerland.
Die Anzahl der Zwangsarbeiter aus dem Osten bei Wiederholt hat wohl bei ca. 40 im Werk Rausingen gelegen (s. später Hinweis Ernst Hinnerwisch jun.). In den Recherchen stolpert man in der Biografie von Wiederholt in den Rohrpostnachrichten und bei Willy Timm nur über zwangsarbeitende Franzosen und Russen und keine weiteren Nationalitäten. Auch für die Russen erfolgte der Bau einer Baracke auf dem Werksgelände. Ab Januar 1942 wurde zur Gewinnung von Arbeitskräften als Ersatz der Einberufungen zum Kriegsdienst zum Erhalt der Wirtschaftskraft im Reich von Göring per Dekret die Rekrutierung im Osten befohlen und es werden die ersten Züge mit zwangserhobenen zivilen „Ostarbeitern“ ins Großdeutsche Reich auf den Weg gebracht spez. aus der Ukraine aber auch Kriegsgefangene, die der Wehrmachts“versorgung“ unterlagen und in Kriegsgefangenen-Mannschafts-Stammlager sog. STALAG deportiert wurden. Nach Etablierung der Sowjetunion 1922 wurde übrigens die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik gegründet und war prorussisches Hoheitsgebiet 1923 bis 1942. Es folgte die deutsche Invasion der Ukraine und nach 1945 erneut Sowjetrepublik bis zur Souveränität nach Zerfall der Sowjetunion 1991 bei verbleibender russischer Ethnizität mit 17% , die sich spez. in der Ostukraine konzentriert.
Die Historie der Ukraine über die Jahrhunderte ist ein vielfach wechselhaftes Geschehen mit Russland und weiteren interessierten Nachbarvölkern, aber selbst ein 7000 km entfernter Staat hat erheblichen Einfluss auf eine aktuelle Kriegslage mit Toten auf allen Seiten.


russische Kriegsgefangene dokumentiert auf privaten Photographien im 2. Weltkrieg
Die Zahl der sowjetischen Kriegsgefangenen wird auf ca. 5.5 Millionen geschätzt von denen etwa 3 Millionen in deutscher Gefangenschaft zu Tode kamen ! STALAG bedeutete Hunger, Krankheit bei körperlicher Ausbeutung und Gewalt.
Die angeforderten Zwangsarbeiter kamen einzeln oder zu wenigen in der Landwirtschaft unter, in größerer Anzahl z.B. in Holzwickede bei der Reichsbahn, Zeche und Wiederholt jeweils ca. 220 und zu Tausenden aber in der Großindustrie u.a. von Chemie, Metall usw. Die Entlohnung war sicherlich ebenfalls eine Form der Ausbeutung durch überzogene Abzüge für Unterkunft und Verpflegung bis hin zum nicht vergüteten, strapaziösem und unwürdigen menschenverachtenden und teils gehandhabten 12 bis 14 Stundentag und die Anerkennung und Entschädigung der Überlebenden ist ein politisch - juristisches bundesrepublikanisches Armutszeugnis (aber aktuell ist durchaus andererseits die Fragestellung zum Lohndumping in deutschen Gefängnissen in der Bundesrepublik seit Jahrzehnten erlaubt).
Entsprechend resultierten die Verhältnisse und Überlebenschancen der Zwangsarbeiter in groben Stichworten:
In der Landwirtschaft durchaus möglich enger Kontakt mit dem Landwirt, teils Essen am Gemeinschaftstisch bis hin zum Briefwechsel nach dem Krieg als bleibender Kontakt.
In Klein- bis Mittelbetrieben bessere Versorgung spez. nach dem Versiegen des Nachschubs an Zwangsarbeitern aus dem östlichen Kriegsgebiet nach dem Fall von Stalingrad.
In Großbetrieben sicher relativ schlechtere Versorgung und auch Behandlung aber besser als im STALAG.
Hier ist anzumerken, dass Zwangsarbeiter mit reduzierter Arbeitsleistung durch Krankheit oder bei Sabotageverdacht zurück ins STALAG verlegt wurden mit deutlich eingeschränkter Überlebenschance ! Intelligentes- und notwendigerweise „leider angepasstes“ Verhalten war im tragischen Überlebenskampf für die Zwangsarbeiter in ihrer furchtbaren Situation bis zum möglich erhofftem Kriegsende als unbedingte Voraussetzung zum Überleben notwendig.
Die deutsche Industrie war auf den russischen Zwangsarbeiter „vorbereitet“.


Es gab aber auch gleich die 3 Sprachen-Ausgaben der „Kriegs“wörterbücher

Auch vorgedruckte Postkarten mit Antwortteil in kyrillischer Schrift waren vorhanden.

Ostarbeiter wurden durch aufgenähte Kennzeichen ausgewiesen

Im Bestreben eine bestmögliche Verpflegung für die Belegschaft zu erreichen, hat Vincenz Wiederholt Gartengelände erworben und ab dem 6. Januar 1941 wurde im Kameradschaftshaus die kostenlose Werkskantine eröffnet mit dem Gericht Bratwurst mit Rotkohl und Kartoffeln.
Auch für die Verpflegung der Zwangsarbeiter wurde ausreichend aus der Werkskantine vorgesorgt und gegen mögliche „Unruhe“ ein Werksschutz etabliert aus 11 Personen ausgestattet mit 4 Gewehren und 200 Patronen (Quelle Recherche Wilhelm Hochgräber). In diesem Zusammenhang ist eine Erschießung des russischen Zwangsarbeiters Alexey Shabelnik auf dem Werksgelände Wiederholt am 11.9.1942 um 7 Uhr 30 dokumentiert (Urkunde Standesamt 51/1942 vom 15. September durch den Amtsbürgermeister des Amtes Unna-Kamen in Unna als Ortspolizeibehörde, gez. Standesbeamter Trümper). Alexey Shabelnik war verheiratet mit Mirsa Shabelnik und wohnhaft in Kramatorsk im Osten der Ukraine.
Welche Eskalationssituation im Verhalten sicherlich beider Akteure hier vorgelegen hat, ist ungeklärt und ich weigere mich aber innerlich den Werkswachmann – vielleicht ein treusorgender und liebevoller Familienvater aus Holzwickede – mir als sadistisch handelnden und NS – motivierten Mörder vorzustellen !
Im Jahr 1999 sind in der Bundesrepublik 19 Todesfälle durch Polizeischüsse zu registrieren. Die Gesamtzahl von 1991 bis 2013 laut STATISTA sind in dieser Hinsicht übrigens 221 Fälle und aktuell in diesem Jahr 2024 bis Ende August 11 Fälle.
Am 26.3.1943 spielt erneut der Musikzug der SS - Leibstandarte „Adolf Hitler“ nun im Kameradschaftshaus der Wiederholt - Werke. Zudem wird für das WHW – Winterhilfswerk gesammelt und Obermusikmeister Müller-John gab ein gut einstündiges Konzert mit vorwiegender Marschmusik zur Freude der Anwesenden und sicherlich von Vincenz Wiederholt.

In den letzten Kriegsjahren machen sich dann Transportprobleme negativ für das VW – Werk bemerkbar und ein Tiefflieger zerstörte um die Jahreswende 1944/45 endgültig die Bahngleistrasse für den Rohrtransport. Am 23. März 1945 erfolgt der alliierte Luftangriff auf Holzwickede und Zielgebiet war der Bahnhof mit seinem Rangiergelände und den Umladehallen. Brand-, Spreng- und Splitterbomben hinterließen eine Kraterlandschaft und die alliierten Luftaufnahmen zeigen den „erfolgreichen“ Angriff mit ca.1000 Bombentrichtern. Bahnhof, Zeche und spez. das „Alte Dorf“ in der Einflugschneise wurden schwer getroffen.
Es starben nach Quellenangabe (Karlheinz Ligges 1968), vermutlich 54 Menschen (eine Zahl die Willy Timm in seinem Buch im Jahr 1988 übernommen hat), es gab zahlreiche Verletzte, ca. 150 Familien wurden obdachlos und 55 Gebäude waren total, 74 schwer und 189 leicht zerstört.

Es fielen auch noch westlich Bomben auf das Werksgelände bei Wiederholt in Rausingen und auch in ein dortiges Fabrikgebäude. Menschliche Todesfälle sind hier aber nicht registriert worden. Die hölzernen Dachpappenkonstruktionen wurden durch den Luftdruck hochgehoben und undicht. Es regnete auf ca. 2 Millionen nicht mehr transportierbare Stahlrohre.
An dieser Stelle ist zu vermerken, dass Zwangsarbeitern in der Regel Luftschutzräume verweigert wurden und so durch Bomben ihrer eigenen Waffengattungen teils tragisch zum Opfer fielen. Dazu ist auch an dieser Stelle in Holzwickede das Russenlager – der Stadtwerke Dortmund Energie & Wasser im Bereich Lappenhausen an der Ruhr anzuführen, das chancenlos der Flut nach der zerstörten Sperrmauer der Möhne – Talsperre durch britische Flieger mittels „Rollbombe“ ausgesetzt war.
Bei weiterem Interesse empfiehlt sich durchaus zur Möhnetalsperre und auch bezüglich des britischen Luftangriffs die Wikipedia-Seite im Internet s.a. ferner Zwangsarbeiterlager Möhnewiesen bei Neheim.

Fortsetzung folgt