Holzwickede Gewerbe
Fa. Wiederholt 1. Fortsetzung
15.07.2024
Friedrich Vincenz Wiederholt wurde am 22. Januar 1883 in Nörten als 12. Kind des Brauereibesitzers Wilhelm Wiederholt sen. geboren. Seine Vorfahren waren über Generationen Landwirte in Nörten auf einem Lehen des Bistums Mainz und nach Ablösung im eigenen Besitz (daher katholisch in protestantischer Region) und betrieben auch eine Branntweinbrennerei. Der Großvater Carl entsagte der Landwirtschaft, pachtete das Gemeindebrauhaus Nörten im Jahr 1851 zunächst mit dem Kaufmann Kiel, wurde Alleinbesitzer im Jahr 1860 und baute das Brauhaus erfolgreich bis zu seinem Tod 1864 auf. Nachfolgend Wappen der Brauerei mit C. (Carl) Wiederholt und es ist fraglich ob der Paketaufgabeschein der Post Nörten aus dem Jahr 1854 zur Brauerei gehört.
Schon hier ein Blick auf die Entwicklung nach 100 Jahren mit den Erweiterungen
und den passenden Bierdeckeln zum 100jährigen Jubiläum
Vincenz Wiederholt hätte 10jährig gerne die Brauerei-Laufbahn als Berufsziel eingeschlagen, aber sein gestrenger Vater Wilhelm Wiederholt sen. hatte bereits 2 Söhne für das Braugeschäft vorgesehen und in der damaligen Zeit war nun das bischöfliche Gymnasium in Hildesheim für Vincenz widerspruchlos zu akzeptieren und so hätten evtl. weitere Pastöre oder Bischöfe in die Familientradition gepasst. Schon an dieser Stelle der Hinweis, dass Vincenz Wiederholt auch ohne Brauereilaufbahn im Jahr 1936 Gesellschafter der väterlichen Brauerei in Nörten zusammen mit seiner Schwägerin Dorothea wurde nach dem Tod seines Bruders Wilhelm Wiederholt jun.
Folgend Barockfassade des alterehrwürdigen Gymnasiums
Josephinum am Domhof Hildesheim,
historisch Nachfolger schon der Domschule Ludwig des Frommen (814-840)
Aus der Biografie von Vincenz Wiederholt im Rohrpost-Heft Jahrgang 1 Januar 1953 ist zu entnehmen, dass er sich auf dem Josephinum absolut unwohl fühlte, Latein und Altgriechisch waren ihm ein Gräuel, seine eigenmächtige Organisation zum Sedanstag mit Schulkameraden einer zünftigen Sause belegt schon hier seine Führungsqualitäten in jungen Jahren, war aber ein Eklat und rief mit weiteren schlechten Noten daher auch in der Schulnote Betragen den väterlichen Zorn daheim hervor und die Prügel mit dem Gummischlauch (ich kann hier persönlich zum Letzteren die Folgen abschätzen). Die weitere Schullaufbahn in Hildesheim endete mit dem „Consilium abeundis“ (Rat die Schule aus eigenem Ermessen zu verlassen) und in Nörten stand dann zunächst die Pferdestallentmistung ab 5Uhr morgens auf seinem neuen „Stundenplan“. Der Vater entschied nun die kaufmännische Laufbahn und Vincenz träumte vom Ex-und Importgeschäft in Hamburg und landete auf väterlichem Geheiß aber in Göttingen in einem Kolonialwaren- und Delikatessengeschäft mit absolut harter 3jähriger Lehrzeit in allen anfallenden Arbeiten vom Hausknecht bis zum Verkäufer und dies bei gegebenenfalls schwieriger Kundschaft. Selbst der Vater war über das Durchhaltevermögen des Sohnes erfreut und erstaunt über die Zeugnisse der Lehrzeit und der Höheren Handelsschule. Es folgte die Anstellung in einem größeren Delikatessengeschäft in Kassel und Vincenz Wiederholt schwärmt von den dortigen kulturellen Möglichkeiten und der umgebenden Natur.
Schloss Wilhelmshöhe aus www.kassel.de
Schon nach einem Jahr zog es Vincenz Wiederholt knapp 20jährig nach München zum Militär und der Preuße wurde dort notgedrungen akzeptiert. München bot neben dem Militär dem wissbegierigen Soldaten Vincenz Wiederholt Kultur und Umgebungsnatur im Überfluss.
Seine Militärpflicht absolvierte er im 7.Art. Regiment München
7. Artillerieregiment in München
In seiner Biografie erinnert er sich an die Reit- und Fahrübungen auf dem oberen Wiesenfeld, die Museen und das nahe Alpenland. Nach der Militärzeit zog es ihn in ein größeres Delikatessengeschäft nach Wiesbaden mit der dortigen internationalen Kundschaft und ehrgeizig stürzt er sich in jeder freien Minute im Selbststudium auf die englische Sprache und nutzte auch die Berlitz-Schule in seiner knappen freien Zeit. Aber auch Gelegenheit für eine Rheinschiffstour bei Mondschein war noch im Zeitbudget neben Theater- und Opernbesuch möglich. Schon nach einem dreiviertel Jahr zieht es ihn ehrgeizig in das vornehmste und größte europäische Delikatessengeschäft zu F. W. Borchard in Berlin in der französischen Straße.
F.W. BORCHARDT
KÖNIGLICHER,KAISERLICHER HOFLIEFERANT
BERLIN W 8, FRANZÖSISCHE STR: 47-48
Vincenz Wiederholt spricht selbst vom „endgültigen Schliff als Verkäufer“, besucht wie in München die interessante Umgebung und nutzt das kulturelle Angebot der Stadt Berlin. Im Jahr 1905 schlägt er ein interessantes Angebot im damals deutschen Straßburg der Hauptstadt von Elsaß-Lothringen aus, um in London seine kaufmännische Ausbildung international zu vervollständigen und insbesondere seine Sprachkenntnisse zu verfeinern trotz familiären Unverständnis in Nörten. Ausgehend von Hamburg in London nach interessanter Schiffsreise angekommen, übertreibt er es nach eigenen Worten in seinem ehrgeizigen Tageseinsatz mit Sprachkursus, als Angestellter im kaufmännischen Sektor und nebenbei ersten Versuchen zur Selbstständigkeit im Nebenberuf. Zusätzlich ferner noch Sport (Schwimmen und Reiten) und von 20 bis 22 Uhr zudem noch Abendschule in Französisch mit erfolgreichem Abschluss bei der „London Chamber of commerce“. Nach 18 Monaten wohl selbst auferlegtem Stress mit Gewichtsverlust folgt eine Tuberkulose - Erkrankung bis zum Lungenbluterbrechen. Schon hier der Hinweis, dass der weitere persönliche Umgang mit dieser Erkrankung für Vincenz Wiederholt ein lästiges Unterfangen wurde. Statt konsequenter Ersttherapie mit damaligen Kuren z.B. über 2 Jahre hat er im purem Optimismus Medizin und gute Ratschläge halbherzig befolgt bei Beibehaltung seines Kraft fordernden Lebensstils und hat dennoch nach 10 Jahren die ernste Erkrankung besiegt. London war in dieser Situation auch vom Klima keine Option mehr und über einen kurzfristigen Firmenaufenthalt in Brüssel, geht es zunächst nach Hause nach Nörten und zum Professor nach Aachen mit der Diagnosebestätigung der Tbc auf beiden Lungenflügeln.
Ein 3monatiger Kuraufenthalt in Davos war angesagt bei guter Ernährung mit Höhenluft und von strengen Ärzten verordneten Ruhephasen und eine Stabilisierung der Tbc war erreicht.
Luftkurort Davos im Kanton Graubünden ca. 1910
Fortsetzung folgt