Holzwickede Gewerbe

Fa. Wiederholt 6. Fortsetzung 

15.08.2021

 Aber  noch einmal zurück in das Jahr 1928

Der Ingenieur Hugo Mayweg und der Kaufmann Vincenz Wiederholt hatten wohl ein gutes Händchen in der Auswahl ihrer Beschäftigten. Die junge Fabrikgründung  mit Pioniercharakter  im Rahmen der angestrebten Elektroverschweißung motivierte  die Mitarbeiter wohl intensiv  eigene Ideen und sachkundige Vorstellungen zu den Produktionsabläufen einzubringen und so wurden Werkzeuge und Maschinen  vielfach selbst entwickelt. Die Lehrlingsausbildung  hatte stets ein sehr hohes Niveau  und so verblieben diese Kräfte in der Regel auch im Werk.  Folgend Maschinen und Werkzeugbänke ca. 1930er Jahre.

 

Vincenz Wiederholt verkauft im Jahr 1928 selbst  entwickelte Maschinen aus Rausingen in die Stahlindustrie nach Pittsburgh – USA  in Begleitung zweier Mitarbeiter (Bachmann und Schultekamp) für 2 Jahre  zur dortigen Einweisung   und Einarbeitung. Er hätte sich sicherlich nicht vorstellen können, dass im Jahr 1996 nach  fast 70 Jahren  die Metallwarenfabrik Holzwickede Mayweg – Wiederholt 

zur amerikanischen Pittsburgh Tube-Gruppe  PTC Alliance gehören wird.

 

Aber zum  Jahr  1929 gilt es in mehrfacher Hinsicht  einige Anmerkungen  zu machen.  Am 1.8.1929 wird der Kreis Hörde aufgelöst im Rahmen der Eingemeindung zu Dortmund und die Landgemeinde Holzwickede wurde mit größeren Gebietsanteilen von Sölde aus dem Amtsbereich Aplerbeck, der zu Dortmund kam, dem Amt Unna-Kamen im Landkreis Hamm zugeordnet, aus dem im Jahr 1930 der Kreis Unna  wurde. Sicherlich  rückblickend für Holzwickede eine wichtige und gelungene Entscheidung für die weitere  und anhaltende  Entwicklung der Gemeinde.

Damit gehörte nun die  Firma  Mayweg – Wiederholt im Ortsteil Rausingen zugehörig zu Holzwickede. Das Jahr 1929 hatte  dann mit der Weltwirtschaftskrise erhebliche Konsequenzen für die Bevölkerung in allen Bereichen  und natürlich auch im Gewerbe und Industrie.

Noch geplant 1926/27 und damit noch durchaus in der Blütezeit der Kaufhäuser  war  im Jahr 1929 das größte Kaufhaus Berlins  mit dem  Karstadtgebäude  am Hermannplatz entstanden mit über 70.000 Quadratmetern Verkaufsfläche    

 

Absenderfreistempelabschlag aus dem Eröffnungsjahr 1929  

 

und  MAYWEG & WIEDERHOLT, Holzwickede bei Dortmund  konnten  damit ihre Werbung  eindrucksvoll mit 88000 mtr. M-W-Stahl-Rohr ohne Papiereinlage verlegt im Karstadthaus  am Hermannplatz durch S.S.W. (Siemens - Schuckert - Werke) gestalten.

 

Das Kaufhauskonzept war für damalige Verhältnisse gigantisch: Tiefkelleretagen mit direktem U-Bahnzugang (damaliges Novum), Aufzug für kompletten Lastwagen bis 2 1/2Tonnen, Rolltreppen und Fahrstühle jeweils 24 Stück und 4.000 (!) Mitarbeiter sorgten für den reibungslosen geschäftlichen Ablauf. Auch äußerlich war das Karstadthaus am Hermannplatz  mit seinen zwei jeweils knapp 60 Meter hohen Türmen recht imposant.     

             
Dieser Anblick war wohl später Adolf Hitler sicherlich stets nach seiner Ankunft vom Flughafen Tempelhof und der Fahrt über Neukölln zur Reichskanzlei  ein ungeliebter Anblick  im Stil amerikanisch-jüdischer Kaufhausgigantomanie (z.B. in Deutschland Tietz, Wronker, Joske, Ury u. weitere). Andererseits gibt es zu Hitlers eigenem Faible  an Kolossal- und Monumentalbauten von Staats- und Parteipalästen  mit  seinem Architekten Albert Speer genügend passende Literatur.


In der Weltwirtschaftskrise wurden alle Wirtschaftszweige unbarmherzig getroffen! Karstadt am Hermannplatz lief übrigens noch schlechter als die anderen Kaufhausstandorte in Berlin, da hier auch die Kaufkraft aus dem Einwohnerumfeld besonders betroffen war, daher mussten die oberen 2 der 6 Etagen  vorübergehend geschlossen werden. Bei näherem Interesse zur Kaufhaushistorie in Deutschland werfen Sie vielleicht einen Blick auf meine Homepage

www.postautomation.de/freimachung-mit-freistempel/tietz-warenhaus-einleitung

Die Weltwirtschaftskrise  brachte in den Jahren 1931/32 für Vincenz Wiederholt nach der 1. Krise im Jahr 1925 die 2. existentielle  Krise für das Werk.   Das englische Pfund wertete um 25% ab, es folgten weitere Währungen und wichtige Exportländer u.a. mit Schweden und Vincenz  Wiederholt verkaufte  Stahlrohre mit Verlust, um Kunden zu halten!

Die deutsche  Großindustrie  gleich ob im Sektor Chemie oder Stahl reagierte in der Wirtschaftskrise mit Fusionen, erhöhten gemeinschaftlich die  Ein- und Verkaufspreise  und  damit  wurde  das exportlastige Unternehmen Wiederholt  massiv getroffen. Der Weltstahlpreis für Bandeisen lag fast 50% tiefer und mit den hohen deutschen Einkaufs- und weiteren Produktionskosten  war die Geschäftsgrundlage für den Export zerstört und durch inländische vermehrte Bemühungen auch nicht kurzfristig zu kompensieren. Z.B. eine Tonne  Bandstahl aus dem Ausland in der Dimension 49x1mm kostete Hafen Dortmund  68 RM zum deutschen Preisvergleich mit 120 Reichsmark. Der sorgenvolle aber versierte Kaufmann  Vincenz Wiederholt verhandelte nun mit Banken und Behörden mühsam unter dem Stichwort nur ein Veredelungsbetrieb  in Deutschland.  Also möglichst Einkaufsmöglichkeit im Ausland von Bandeisen ohne Zollbelastung, Veredelung zu Stahlrohren und direkter Verkauf erneut ins Ausland zu Preisen nun möglich auf  Weltmarktniveau und das nötige Geld zum Einkauf finanzierte die Hausbank in Hamburg nach Rückendeckung der Zentrale in Berlin. Behörden und Banken erlaubten Vincenz Wiederholt  nach etlichen mühevollen Verhandlungsgesprächen bis nach Berlin die neue Geschäftsgrundlage.

Das Stahlwerk in Holzwickede war gerettet. Langsam ging es wieder bergauf und es konnte investiert und gebaut werden zur  Ausweitung der Produktion. Im Jahr 1931 brannte zwar die Lackiererei ab und konnte  aber rasch wieder aufgebaut werden.

Im Jahr 1933  wird Vincenz Wiederholt Parteimitglied der NSDAP  und im Dezember 1933 kann die Firma erstmals freiwillig Weihnachtsgeld auszahlen. Die neue Schlossereihalle wird 1934 gebaut.

In den Jahren 1934/35 wurden die Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Ingenieur Hugo Mayweg und dem Kaufmann Vincenz Wiederholt zunehmend unüberwindbar,  die sicherlich seit  der 1. Firmenkrise 1925 schon ihren ersten  Ausgang hatten und  die Trennung zog sich fast über ein Jahr hin  und endete gerichtlich in Berlin im Vergleichsverfahren und  der Kaufmann Vincenz Wiederholt wurde  Alleinbesitzer der Stahlrohrfirma in Rausingen. Nach 11 Monaten zermürbendem Rechtsstreit  mit Hugo  Mayweg  beginnen für Vincenz Wiederholt, wie er selbst in seiner Biografie schreibt,  nun  frohe Jahre  des Schaffens.

Der Trennungssachverhalt kann auch auf dem Firmenabsenderfreistempel dokumentiert werden, der ca. bis zum Jahr 1951 wohl auch der einzige Freistempler in Holzwickede war. Vorgestellt wird der Absenderfreistempel aus dem Jahr 1935 mit entsprechendem Ortstempelteil und mit Rechteckwertrahmen. Das Firmenlogo illustriert die Elektrorohrverschweißung  zum Stahlrohr und die Initialen darin M und W belegen ineinander verschlungen die Firmengründer mit ihren Anfangsbuchstaben Mayweg & Wiederholt.

 

Der Ingenieur MAYWEG schied also im Rechtsstreit 1935 aus der Firma aus und der Kaufmann Wiederholt führte die Stahlfabrik im Alleinbesitz weiter. Diesen Umstand belegt der nachfolgend vorgestellte Absenderfreistempel.  Deutlich zu erkennen aus dem Jahr 1938 ist die Firmierung  nur noch als V.W.Werke  Vincenz Wiederholt.  Im  Firmenlogo  ist das M von Mayweg verschwunden und das W von Wiederholt wurde nun mit dem Vornamenbuchstaben V für Vincenz ergänzt und verwoben.

 

Die Werbung im Freistempel verweist auf V.W.WERKE Vinzenz Wiederholt SPEZIALFABRIK FÜR STAHLROHRE HOLZWICKEDE. Der Wertrahmen wurde zum Typ Reichsadler verändert und der Einkreisortsstempel in einen Zweikreisstempel umgerüstet (beides Francotyp – Absenderfreistempel).

 

Dazu oben der komplette Luftpostbrief vor- und rückseitig nach  Lourenco/ Port. Ostafrika (portugiesische Kolonie Mosambik) und zeigt die internationale Aufstellung der Stahlrohrfirma aus Holzwickede.

Endlich geschäftlich unbelastet  nach der Trennung von Hugo Mayweg  in seinen zukünftigen Entscheidungen gönnt sich Vincenz Wiederholt als Firmenwagen  einen Maybach W 5 (120PS). Foto  aus dem Museum für hist. Maybach-Fahrzeuge/Neumarkt - Oberpfalz

 

und trifft auch im Privatleben wohl eine Wunscherfüllung und pachtet im Jahr 1935  das 

Eversberger  Jagdrevier „ Stadtwald“.

 

Jagdhütte Vincenz Wiederholt  Eversberg Forstrevier Stadtwald

 

Vincenz Wiederholt entspannte hier vom Werksbetrieb allein und mit Familie, mit Geschäftsfreunden und mit Teilen aus der Belegschaft. Gefeiert wurde mit den  Eversbergern z. B. Schützenfest. Sein Werksschor  begleitete ihn  dann gelegentlich und er spendierte die  Bierfässer aus seiner Nörtener Brauerei.

Bei der jährlichen Treibjagd  nach dem 2. Weltkrieg waren übrigens auch seine Neffen als Treiber  „unverletzt“  dabei. Das erlegte Wild fand dann teilweise den Weg in die Werkskantine in Holzwickede. Neffe Gerd (Dr. Gerd Möller oder frei nach Loriot „Möller-Lüdenscheid“) begleitete  den Onkel Vincenz gelegentlich auf nächtlicher  Pirsch und war begeistert  von  den Gesprächen und Geschichten, die er hörte. Gelegentlich hatte er wohl Zweifel, denn nach Aussage von Gerd war der Onkel Vincenz 5sprachig mit Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch und „Jägerlatein“. Ich empfehle die überaus lesenswerte Biografie von Gerd Möller Das Leben ist ein Streichelzoo in seiner ironisch abgeklärten Form aus einem bewegten Leben.

Vincenz Wiederholt erhielt die Auszeichnung des Deutschen Jagdverbandes, war Ehrenmitglied im Hegering Bestwig und erhielt noch die Ehrenbürgerschaft der Gemeinde Eversberg im Jahr 1962.

 

Fortsetzung folgt