Holzwickede und die Emscher
3. und letzte Fortsetzung
03.12.2023
Aber wir verlassen den Emscherpark und bewegen uns im Emscherverlauf auf den Rückseiten der linken Häuser an der Hauptstraße in Richtung Geschäft Rademacher. Die alten Gebäude wurden errichtet nach der Wende vom 19. zum 20.Jahrhumndert als die Bebauung südlich der Bahnlinie einsetzte. Die Erstbesitzer sind mit den Namen Münch, die Gebrüder Rieke mit Albert, Ernst und Theodor anzuführen. Wilhelm Kühnholz, der 1912 das Haus der Witwe Friedrich Jacques verlies und gegenüber im Eck sein Textilgeschäft eröffnete ist ebenso wie das Haus Theodor Rieke auf der folgenden Lithografie noch nicht errichtet. Hier in diesem Straßeneck verlässt nun die Emscher die Oberfläche und geht verrohrt unter der damaligen Bahnhofstraße (Hauptstraße) in einen offenen gemauerten Schacht und zieht weiter unter der Kaiserstraße (Hauptstraße) nördlich am Gasthof ehemals Hohenzollern vorbei Richtung Bahn und ehemaliges Zechengelände.

Vorstehend also meine Lieblingslithographie zum Thema Emscher. Die Lithographie beinhaltet erstaunlich viele Fakten ca. zum Jahr 1905 und belegt die Region noch mit Hohenleuchte (von unserem heutigen Verständnis aber eher der Bereich Ende Sölderstraße und Neubaugebiet der Fa. Wilma). Die Bahnhofstraße reichte damals von links bis zur Emscher und stieß auf die damalige Kaiserstraße. Die Emscher zieht links hinter dem Haus Ernst Rieke (Bäckerei) vorbei ins Eck Bahnhofstraße – Kaiserstraße. Die Verrohrung erfolgte nun nicht in einem Schritt, sondern die Holzwickeder hatten noch einmal einen Blick im gemauerten offenen Schacht auf die Emscher bevor nun der Weg unter der Kaiserstraße fortgesetzt wurde. Zur Ergänzung der Hinweis, dass Theodor Rieke (Textil) der Bruder von Ernst (Bäcker) und von Albert (Metzger) noch nicht sein Haus links neben seinem Bruder Ernst errichtet hatte. Ebenso fehlt noch der Flachbau von Textilgeschäft Kühnholz von 1912 im Eck – heute Rademacher. Rechts das Haus von Friedrich Jaques ca. aus dem Jahr 1872 mit dem links angesetzten Saalbau. Jaques war meines Wissens nach der erste der südlich der Bahnlinie baute und aus der Rausingerstraße mit seiner Bäckerei und Gastwirtschaft umgezogen war. Allerdings firmiert das Gebäude oben schon unter Witwe, da Friedrich Jaques im Jahr 1905 verstorben war. Witwe Jaques behielt aber zunächst ihre Bäckerei rechtsseitig im Gebäude und verpachtet war die linksseitige Gastwirtschaft seit dem Jahr 1901 an August Thies, der wenig erfolgreich wurde. Auf der Lithographie bevölkern 30 Kinder und 4 Erwachsene die mit Lehm belassene Kaiserstraße und harren geduldig auf das Kommando des Fotografen (ohne Autoverkehr kein Problem). Kinder und Männer dekorieren das Bild, die Ehefrauen standen am Herd und konnten sich den Zeitverlust nicht erlauben. Nachfolgend Detailausschnitt Restaurant August Thies im Jahr 1902. Der Saalbau noch unverputztes Fachwerk. Rechts Gastwirtschaft linksseitig im Gebäude von 1872 und noch Bäckerei und Colonialwaren Jaques rechts. Der rechte Anbau wurde später verkleinert und war angeblich Durchfluss für die Emscher.

Die Witwe Friedrich Jaques verkaufte dann aber im Jahr 1906 die Gastwirtschaft mit Saal an Heinrich Pforr. Dazu ein Detailausschnitt aus einer Lithografie. Der Gasthof zum Hohenzollern von Heinrich Pforr Kaiserstraße 1 mit dem linksseitigem Saalgebäude und dem rechtsseitigen verkleinerten Anbau durch den die Emscher ihren weiteren Weg nahm.

Heinrich Pforr baute 1907 den Saalbau prächtig um zum Gasthof Zum Hohenzollern

Linksseitig der Durchgang zum zurückversetzten Saalbau. Neben dem Durchgang und dem dem Saalbau folgt dann nach Süden das Haus der Druckerei Hinnerwisch, dann weiter das Haus Dachdecker Griesel und folgend Haus Schöttler (hier im 1. Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zunächst noch Theodor Rieke der II. neben Pass – Butterhalle).
Pforr verpachtete dann den Erstbau Jacques mit der Kaiserstraße 1 an Wilhelm Kühnholz - Textilgeschäft (später ab 1912 Behrenberg – Lederwaren). Pforr kam in diesem Jahr 1910 durch Schussverletzung im eigenen Lokal bei Streitschlichtung ums Leben! Seine Ehefrau verpachtete ihrerseits den Gasthof an Wilhelm Schulte (war wohl auch nicht besonders erfolgreich). Mit der Lupe erkennbar Inschrift Gasthof zum Hohenzollern linksseitig Ww. Pforr und rechts Wilhelm Schulte s. folgende Ansichtskarte gestempelt Holzwickede 29.4.1915. Nun auch links auf der Kaiserstraße das Haus von Theodor Rieke II. an das zweigeschossige Haus von seinem Bruder Ernst Rieke angesetzt (ca, 1908/09), hier wurden die ehemaligen Nordfenster also verschlossen. Da zum Zeitpunkt 1915 erst "zwei" Autos in Holzwickede (Zechendirektor Tengelmann und Dr. med. Voigt) unterwegs waren, ist das kleine Mädchen links vorne auf der Straße vermutlich ungefährdet.

Die Witwe Pforr (Ww.) verkaufte dann im Jahr 1919 an Alfred Herkelmann samt Haus Kaiserstr. 1 dem Erstbau von Friedrich Jacques. Im Anbau an Kaiserstraße 1 Richtung Norden floss nach Hörensagen die Emscher im Keller durch. Herkelmann firmierte seinen Gasthof von Zum Hohenzollern - Zum Bürgerhaus um, schließlich war soeben der 1. Weltkrieg verlustreich verloren und mit den Hohenzollern keine Werbung mehr zu machen. Ältere Holzwickeder können sich vielleicht noch an den Likör EGGEMANN erinnern, gebrannt von Herkelmann. Nach zwischenzeitlichen Verpachtungen übernahm später die Tochter Herkelmann - Grete verh. mit Jochen Laqua den Gasthof, die Umfirmierung erfolgte nun Zum Adler. Zur Vollständigkeit noch der Hinweis, dass der Sohn Jürgen Laqua mit Ehefrau im Jahr 1995 den Gasthof mehrfach verpachtete und aktuell firmiert der Gasthof unter Bambusgarten als chinesisches Restaurant.
Zu diesem Straßeneck noch eine wunderbare Ansichtskarte mit einer Litfasssäule

Der rückseitige Bahnpoststempel erlaubt leider nicht die Erkennung des Aufgabejahres, aber etliche Details verraten den Zeitraum zwischen 1907/8. Zunächst einmal ist das Haus von Theodor Rieke neben seinem Bruder Ernst Rieke linksseitig noch nicht errichtet (baute ca. 1908, heute Bestattung Augsburg). Heinrich Pforr hat den Saalbau schon zum Gasthof Hohenzollern umgebaut (1907). Textilgeschäft Wilhelm Kühnholz noch im Haus Kaiserstraße 1 (ehemals Erstbau Jaques) und baute 1912 gegenüber im Eck Bahnhofstraße – Kaiserstraße, Nachfolger wurde dann Lederwaren Behrenberg im Erstbau Jaques). Auf der Litfasssäule Reklame von Julius Hinnerwisch mit seiner Buchhandlung und Buchdruckerei, es war das helle Haus hinter dem Durchgang zum Saal von Gasthof Hohenzollern (die obige Karte stammt übrigens aus seiner Druckerei). Friedrich Rademacher wirbt auf der Säule für seine Manufactur „Modewaren, Hüte u. Mützen“). Rademacher war zu diesem Zeitpunkt noch in der Sölderstaße oder im Haus Vollmann auf der Kaiserstraße? Homepagebesucher evtl. dazu melden. Rademacher zog später (1929) in das flache Geschäftshaus Kühnholz um. Das Bild vermittelt einen etwas düsteren Eindruck. Auf der lehmbelassenen Kaiserstraße ein einzelner Mann vor dem Gasthof Pforr und ein einsamer Pferdewagen vor Hinnerwisch. Kaiserstraße noch Lehm belassen.
Zu Kühnholz und Rademacher noch ein Bildensemble

Links Textilgeschäft Wilhelm Kühnholz im Jahr 1909 im Haus Jacques verpachtet von Heinrich Pforr, rechts oben nach Eröffnung im Neubau gegenüber im Jahr 1912 und die Familie Rademacher übernahm im Jahr 1929 das Gebäude. Seitlich ganz rechts Wohnhaus Rademacher (wohl nur 2geschossig bedingt durch die direkt benachbarte Emscher ?).
Ferner ein letztes Bild mit Blick nach gegenüber zurück nun zum Bambusgarten

Wenn auch ASIAN LIVE COOKING im BAMBUSGARTEN imponiert, so ist dennoch die Firstinschrift ZUM ADLER erhalten geblieben. Auch im Rahmen der Umgestaltung durch die Emschergenossenschaft gibt es auch in diesem Bereich noch ein Hinweis. Der Erstbau Jacques aus dem Jahr 1870/72 wurde im Jahr 2008 abgerissen. Das Haus war bautechnisch mit dem Gebäude Adler „eng verzahnt“ und die Angelegenheit gestaltete sich recht schwierig. Seit Jaques sind also hier in diesem ersten Gebäude noch einmal die weiteren Hausnutzer bis zum Abriss anzuführen mit Textilgeschäft Kühnholz, dann hier Berenberg mit Lederwaren, nach dem 2. Weltkrieg Hüsing mit Motor- und Fahrrädern, dann Fahrrad Höni, gefolgt von Amedik mit Blumen, schließlich Haumann Hörgeräte, daneben UMUR – GRILL (heute Außengastronomie Bambusgarten) und daneben die Emscher.
Damit zurück zur Emscher.
Vom Weg der Emscher unter den Bahnlinien und dem Zechengelände Caroline existieren anscheinend keine Bilder, aber hinter der Zeche tauchte die Emscher natürlich auf und landete in einer ersten kleinen Kläranlage bevor es dann nach Sölde ging.

Emscher, Klärturm vor der Bergehalde der Zeche Caroline (danke Foto Langner)
Die Emscher entwickelte sich zum Abfallgewässer des Ruhrgebietes. Dazu gibt es höchst interessante Literatur (z.B. Emscher Vertellekes - eine Region und ihr Fluss von Gerd Niewerth u. Jochen Stemplewski im Klartext Verlag, Essen im Jahr 2004) und natürlich auch zur Geschichte der erfolgreichen Renaturierung der Emschergenossenschaft in einem „planerischen und finanziellen Gewaltakt“ über die letzten 3 Jahrzehnte.



oben Vorlage der Emschergenossenschaft und Sonderstempel (2023) Renaturierung
Zuletzt noch eine Planungsskizze der Emschergenossenschaft zur Gestaltung und Ausführung des Emscherparks in seiner jetzigen Form.

Damit möchte ich das Thema HOLZWICKEDE und die EMSCHER einmal beenden. Sicherlich auch gelegentlich etwas abschweifend so sind die Zusammenhänge vielleicht dennoch für einen Teil der Homepagebesucher interessant. Hinweise und Korrekturangaben sind erwünscht. Über eine weitere Ausarbeitung ist thematisch noch nicht endgültig entschieden, wird wohl aber nun die Postgeschichte zu Holzwickede betreffen.
Bis demnächst einmal, Ihr E.-M. Eden, Holzwickede